„Let’s Go East!“
Eine Motorradtour über die ehemalige innerdeutsche Grenze von Bayern nach Thüringen.
Gemütlich cruisen oder es auch mal laufen lassen. Auf der landschaftlich abwechslungsreichen Runde kann man beides haben.
Wir waren so frei!
„Ich glotz‘ von Ost nach West–Ich kann mich gar nicht entscheiden, is‘ alles so schön bunt hier!“ Sang Nina Hagen in ihrem Song TV Glotzer – hier der Soundtrack zum Beitrag.
1978 war das und die Öffnung des Eisernen Vorhangs war damals ähnlich fern wie die Vorstellung, dass es die Grünen jemals bis in den Bundestag schaffen würden.
Im Gegensatz zur deutschen „Godmother of Punk“ hatte ich damals mit acht Jahren wenig Entscheidungsgewalt. Auch nicht darüber, wohin mich der sonntägliche Familienausflug führen wird.
„An die Zonengrenze“ sollte es gehen. Genauer: ans schwarze Moor in der Hochrhön. Dort glotzten wir dann mit dem Fernglas von West nach Ost und schauten den Grenzern drüben bei der Arbeit zu. Die wiederum beabachteten uns, den Klassenfeind, beim … ja, … Glotzen.
Für uns Kinder war das eine eher langweilige Freizeitbeschäftigung. Doch Moment – ein Highlight gab es: Den Bratwurststand mit Würsten frisch vom Grill und den gibt es immer noch. Mitten in einer traumhaft schönen Gegend und einem Motorradparadies der Extraklasse. Das bringt mich auf die Idee, wieder mal hinzufahren, eine Rostbratwurst zu essen und anschließend mal „rüber zu machen“ – nach Thüringen.
Über Bischofsheim auf die Hochrhönstraße
Los geht’s in Wildflecken, die Ducati ist vollgetankt und steht bereit.
Auf der St2289 fahren wir Richtung Bischofsheim in der Rhön. Bevor wir aber in das urig – gemütliche Städtchen kommen, was allein schon eine Reise wert ist, gönnen wir uns einen kleinen Umweg über den Kreuzberg.
Wir biegen Richtung Oberwildflecken ab und fahren rauf zum heiligen Berg der Franken.

Mit 927,8 m ist er zwar nur der zweithöchste Berg in der bayerischen Rhön, mit Sicherheit aber der Bekannteste. Was er vor allem seinem Kloster mit der Gastronomie und der Klosterbrauerei zu verdanken hat.
Nach Oberwildflecken geht es durch ein kurzes Waldstück, bis wir dann auf einer Lichtung stehen.
Rechts oben thront der Sendemast, der heute noch vom Bayerischen Rundfunk verwendet wird. Wir biegen links ab Richtung Bischofsheim.
Fast wie im Hochgebirge schlängelt sich die Straße hinunter ins Tal. Gut ausgebaut mit topfebenen Asphalt erlebt man hier Fahrspaß pur.

Unten im Ort angekommen lockt das Café Voll am Marktplatz. Seit über hundert Jahren kann man hier hervorragenden Kuchen aus der Region, Torten und Eis genießen – alles aus eigener Produktion. Hier legt man noch Wert auf ehrliches Handwerk.
Es wird regional eingekauft und die Preise sind moderat.
Doch wir wollen weiter.
Über die Ludwigstraße verlassen wir den Marktplatz und folgen den Schildern Richtung Hochrhönstraße (St2288).
Rauf zur Langen Rhön
Hinter Bischofsheim wird es steil und wir schwingen uns auf der Hochrhönstraße auf zirka 800m. Bis wir ein Plateau erreicht haben, die Lange Rhön.
Über die Jahrhunderte hinweg ist hier eine einzigartige Kulturlandschaft entstanden. Die sowohl durch ihre Kargheit als auch durch ihre Artenvielfalt zu begeistern weiß.

Wir sind im Naturschutzgebiet und UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Und hier sehen wir ihn: den atemraubenden weiten Blick bis weit nach Hessen und Thüringen.
Das „Land der weiten Ferne“ diesen Beinamen hat die Rhön gewiss nicht zu Unrecht bekommen.

Wir haben den Parkplatz am schwarzen Moor erreicht.
Die Bratwurst schmeckt noch genauso gut wie früher und: … es hat sich ausgeglotzt!
Mittlerweile ist alles viel moderner geworden. Statt eines überdachten Grill steht jetzt eine gut ausgebaute Gastronomie neben einem Informationszentrum.
Die Moorlandschaft lässt sich über Holzstege bewandern. Über Aussichtspunkte kann man Flora und Fauna bestens aus der Ferne anschauen – ganz im Sinne des Naturschutzes.
Ab nach Thüringen
Weiter geht’s Richtung Fladungen. Auf einer breiten Serpentinstraße wedeln wir wieder hinunter ins Tal.
Kurz vor Fladungen geht es dann rechts ab Richtung Frankenheim (St2265), der letzte Ort in Bayern vor der Grenze zu Thüringen. Aufgepasst: In der Ortsmitte von Frankenheim muss man einmal scharf nach rechts bergauf Richtung Meiningen auf die L1123 abbiegen. Die Stelle kann leicht übersehen werden. Die Straßen werden wieder kleiner, die Landschaft abwechslungsreicher.
Es reihen sich Kurve an Kurve, es geht hoch und runter.
In Reichenhausen fahren wir rechts ab Richtung Geba und bleiben auf der L2672 bis nach Stepfershausen. Ein typisches Rhöndorf mit viel Fachwerk und gemütlichen Gasthöfen – Tipp!
Kultur in Meiningen
Über Herpf erreichen wir die Theaterstadt Meiningen.

Hier kann man Kulturereignisse auf höchsten Niveau erleben – abseits des Trubels einer Großstadt. Durch großzügig angelegte Parks schlendern und dabei das Flair einer prunkvollen Geschichte spüren.
Unbedingt anhalten!
Vorbei am Skulpturenpark Deutsche Einheit, einem ehemaligen innerdeutschen Grenzübergang, verlassen wir Thüringen und fahren ins bayerische Mellrichstadt.
Zurück in Bayern
Von der ehemaligen Garnisonstadt nach Wildflecken, dem Ausgangspunkt unserer Motorradtour, ist es nicht mehr allzu weit.
Zum Ausklang bietet sich die Strecke durch die Ortschaften Oberstreu – Bastheim – Oberelsbach – Bischofsheim – Kreuzberg an.
Wer in Thüringen die berühmten Klöße links liegen gelassen und mittlerweile Hunger bekommen hat, dem sei die Gastronomie in Bischofsheim ans Herz gelegt. Oder man fährt rauf zum Kreuzberg und beendet den Tag bei einer Haxe oder einem Käs’brot. Nach dem Verdauungsspaziergang hoch zum Sender kann man ihn dann noch mal genießen. Diesen einzigartigen Ausblick, der die Rhön so berühmt gemacht hat.
Den Blick über das „Land der weiten Ferne“.
Die Route im Überblick
Strecke gesamt: 147 km
Fahrzeit ca. 2:20 h
Hier auf Calimoto könnt ihr ebenfalls die Tour laden und teilen.